Der Einsatz von privaten Dienstleistern zur Überwachung des ruhenden Verkehrs ist gesetzeswidrig

OLG Frankfurt vom 03.01.2020 Az. 2 Ss-OWi 963/18

 

 

 

 

Leitsätze

 

1.     Die den kommunalen Polizeibehörden gesetzlich zugewiesene Verpflichtung der Überwachung des ruhenden Verkehrs und die Ahndung von Verstößen sind hoheitliche Aufgaben. Mangels Ermächtigungsgrundlage dürfen sie nicht durch private Dienstleister durchgeführt werden.

 

 

 

2.      Die Überlassung privater Mitarbeiter nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) zur Durchführung hoheitlicher Aufgaben ist unzulässig.

 

 

 

3.      Die Bestellung privater Personen nach § 99 HSOG zu Hilfspolizeibeamten der Ortspolizeibehörden ist gesetzeswidrig.

 

 

 

4.      Der von einer Stadt bewusst durch "privaten Dienstleister in Uniform der Polizei" erzeugte täuschende Schein der Rechtsstaatlichkeit, um den Bürgern und den Gerichten gegenüber den Eindruck polizeilicher Handlungen zu vermitteln, ist strafbar.

 

 

 

Die vollständige Entscheidung ist nicht anfechtbar.

 

vorgehend AG Frankfurt am Main, 19. Juli 2018, 979 OWi - 858 Js 47749/17, Urteil

 

1. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

2. Die Sache wird zur Fortbildung des Rechts zur Entscheidung dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen (§ 80a OWiG).

 

3. Das Verfahren wird eingestellt. Die den Parkverstoß belegenden Beweismittel unterliegen einem Verwertungsverbot.

 

4. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt die Staatskasse.

 

Gründe

 

I.

 

Der Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt/Main hatte als Ortspolizeibehörde wegen unerlaubten Parkens im eingeschränkten Halteverbot gegen den Betroffenen ein Verwarngeld von 15 € verhängt. Auf den Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht Frankfurt am Main durch Urteil vom 19.07.2018 das Verwarngeld bestätigt.

 

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts parkte der Betroffene von 12:52 Uhr bis 13:05 Uhr im eingeschränkten Halteverbot ohne im Besitz der notwendigen Parkberechtigung zu sein. Die Feststellungen zu dem Parkverstoß beruhen auf der Angabe des in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen B, der der Stadt Frankfurt/Main durch „die Firma C überlassen“ und von der Stadt als „Stadtpolizist“ bestellt worden ist. Die Tätigkeit übt der Zeuge in Uniform aus.

 

Gegen die Verurteilung wendet sich der Betroffene mit dem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde. Er vertritt die Ansicht, dass die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten Kernaufgabe des Staates sei, eine Beleihung dieser Aufgaben durch Privatpersonen durch das Gesetz nicht vorgesehen sei, die Bestellung als Stadtpolizist nach § 99 HSOG unzulässig sei und in der Folge die getroffenen Feststellungen auf einem nicht rechtmäßigen Verfahren beruhen.

 

Vor dem Hintergrund der Grundsatzentscheidung vom 26.04.2017 (2 Ss-OWi 295/17 sog. „Lauterbach-Entscheidung“), in der der Senat die Hinzuziehung privater Dienstleister bei der Verkehrsüberwachung im fließenden Verkehrs für gesetzeswidrig erklärt hat, hat der Senat mit Schreiben vom 15.04.2019 das Hessische Ministerium des Inneren und für Sport (im weiteren Innenministerium) um Stellungnahme gebeten, auf welcher Rechtsstruktur das Vorgehen der Frankfurt/Main beruht, und ob die Dienst- und Fachaufsicht davon Kenntnis hat.

 

In der Stellungnahme vom 28.05.2019 hat das Innenministerium nach Rückfrage bei der Stadt Frankfurt/Main zusammenfassend mitgeteilt, dass die Stadt Frankfurt/Main für die Kontrolle des ruhenden Verkehrs Leiharbeitskräfte eines privaten Dienstleisters auf Basis einer Stundenvergütung einsetzt. Die von der privaten Firma überlassenen Leiharbeitskräfte werden „unter dem Einsatz des AÜG sowie einer physisch- räumlichen und organisatorischen Integration in die Gemeindeverwaltung“ (Stellungnahme der Frankfurt/Main vom 20.05.2019) durch „das Regierungspräsidium Darmstadt gem. § 99 Abs. 3 Nr. 4e HSOG zu Hilfspolizeibeamtin und -beamten bestellt“. Gemäß § 99 Abs. 2 S.1 HSOG haben Hilfspolizeibeamte im Rahmen ihrer Aufgaben die Befugnisse von Polizeivollzugsbeamten.

 

Diese umfassenden Recht sind einzelvertraglich wieder beschränkt. Das Innenministerium hat darüber hinaus mitgeteilt, dass neben der Stadt Frankfurt/Main auch weitere Kommunen in Hessen Aufgaben bei der Überwachung des ruhenden Verkehrs an Leiharbeitskräfte übertragen haben und diese jeweils zu Hilfspolizeibeamten bestellt worden sind. Diese Leiharbeitskräfte tragen in einigen Kommunen Uniformen, aber nicht in allen.

 

II.

 

1. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Nachdem der Senat den Einsatz sog. „privater Dienstleister“ bei der Überwachung des fließenden Verkehrs grundsätzlich für gesetzeswidrig erklärt hat (Grundsatzentscheidungen v. 26.04.2017 - 2 Ss-Owi 295/17 sog. Lauterbach-Entscheidung und v. 06.11.2019 - 2 Ss-OWi 942/19), nimmt der Senat dieses Verfahren zum Anlass, ebenfalls grundsätzlich über die Zulässigkeit des Einsatzes von sog. „privaten Dienstleistern“ im Bereich der Verkehrsüberwachung im ruhenden Verkehr zu entscheiden.

 

Die vom Betroffenen aufgeworfene Rechtsfrage ist bisher vom Senat nicht entschieden worden und, soweit ersichtlich, in der vorliegenden Konstellation auch noch von keinem anderen Oberlandesgericht (vgl. zum „Berliner Parkraumüberwachungskonzept“ KG, Beschluss vom 23.10.1996, 2 Ss 171/96 - 3 Ws (B) 406/96). Die Frage, ob die Überwachung des ruhenden Verkehrs zu den zwingenden Kernaufgaben des Staates gehört und damit zwingend ganz oder teilweise durch Hoheitsträger wahrgenommen werden muss, ist in der Literatur umstritten (vgl. Meixner/Fredrich, HSOG, 12. Auflage 2016, § 99 Rn.8; Hornmann HSOG 2. Auflage 2008, § 99 Rn. 36ff; Lembke NZA 2018, 393; Waechter NZV 1997, 329; Radtke NZV 1995, 428; Bick NZV 1990, 329; Scholz NJW 1997, 14, jeweils m.w.N.).

 

Der Senat hat bisher entschieden, dass bei der Verkehrsüberwachung des fließenden Verkehrs beim Einsatz technischer Verkehrsüberwachungsanlagen die Hinzuziehung und Übertragung von Aufgaben an private Dienstleister bzw. Personen, die nicht in einem Dienst- und Treueverhältnis zum Staat stehen, ausgeschlossen ist. Die Überwachung des fließenden Verkehrs und die Ahndung von Verstößen ist Kernaufgabe des Staates. Sie ist eine hoheitliche Aufgabe die unmittelbar aus dem Gewaltmonopol folgt und ausschließlich Hoheitsträgern die in einem Treueverhältnis zum Staat stehen übertragen ist. Die Übertragung dieser Aufgaben an Dritte - in welcher Form auch immer - ist unzulässig.

 

Über diese verfassungsrechtliche Begründung hinaus folgt dies beim Einsatz von Verkehrsüberwachungstechnik, wie sie regelmäßig bei der Überwachung des fließenden Verkehrs zum Einsatz kommt, auch daraus, dass die aus dem Mess- und Eichgesetz folgende Zulassung von Verkehrsmesstechnik ein in sich geschlossenes System der Beweisführung verlangt, bei dem die Übertragung auch nur von Teilen auf Privatpersonen zu einem Beweismittelbruch führt, der von den Gerichten nicht mehr nachvollzogen werden kann und daher in aller Regel zur Unverwertbarkeit des Beweismittels führt (Stichworte: standardisiertes Messverfahren, antizipiertes Sachverständigengutachten, verbindliche Anforderungen an die Verwendung von Verkehrsmesstechnik, Eichpflicht, Rückführbarkeit des Beweismittels; vgl. zu den Besonderheiten beim Einsatz des Messgeräts ESO 3.0: OLG Frankfurt Beschluss v. 26.04.2017 - 2 Ss-Owi 295/17; OLG Oldenburg, Beschluss v. 18.04.2016 - 2 Ss (OWi) 57/16; AG Meißen, Urteil v. 29.05.2015 - 13 OWi 703 Js 21114/14 i.V.m. mit der Widerlegenden Stellungnahme der PTB vom 06.04.2016).

 

Ob diese Begründung bei der Überwachung des ruhenden Verkehrs gleichermaßen zwingend übertragbar ist, da neben dem fehlenden Einsatz (standardisierter) Messtechnik im ruhenden Verkehr der Schutz von Leben und Gesundheit der Bürger vor regelwidrigem Verkehrsverhalten anderer Verkehrsteilnehmer niederschwelliger zum Tragen kommt und die Art und Weise der Organisation von gemeinschaftlichem Verkehrsraum (zivilrechtlich oder hoheitlich) im Vordergrund steht, ist bisher noch nicht entschieden worden.

 

2. Das Verfahren wird aufgrund seiner rechtlichen Bedeutung auf den Senat übertragen.

 

Bei der Stadt Frankfurt/Main werden jährlich über 700.000 (Jahr 2018) Parkverstöße geahndet mit einem Sanktionswert von über 1 Mio. Euro, die durch die zuvor beschriebene Beleihung eines privaten Dienstleiters ermittelt werden. Das Innenministerium hat darüber hinaus bestätigt, dass auch andere Kommunen gleich oder ähnlich strukturierte Übertragungen vorgenommen haben und es generell die Rechtsauffassung des Innenministeriums als Dienst- und Fachaufsicht der Ortspolizeibehörden ist, dass die Überwachung des ruhenden Verkehrs auch durch private Dienstleister erfolgen kann, wenn sie u.a. gem. § 99 HSOG zu Hilfspolizisten bestellt werden.

 

Der Senat sieht sich daher veranlasst, in dieser Frage Rechtsklarheit herbeizuführen.

 

III.

 

Das Verfahren wird eingestellt, da die vorliegende Beweiserhebung vorsätzlich gesetzeswidrig durchgeführt worden ist und die so ermittelten Beweise einem absoluten Verwertungsverbot unterliegen.

 

Die der Stadt Frankfurt/Main als Polizeibehörde gesetzlich zugewiesene Verpflichtung der Überwachung des ruhenden Verkehrs und die Ahndung von Verstößen sind hoheitliche Aufgaben. Mangels Ermächtigungsgrundlage dürfen sie nicht durch private Dienstleister durchgeführt werden. Die Überlassung privater Mitarbeiter nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) zur Durchführung hoheitlicher Aufgaben ist unzulässig. Die Bestellung privater Personen nach § 99 HSOG zu Hilfspolizeibeamten der Ortspolizeibehörden ist gesetzeswidrig.

 

1. Die Organisation und Überwachung des ruhenden Verkehrs ist eine hoheitliche Aufgabe.

 

Maßnahmen der Verkehrsüberwachung - auch im ruhenden Verkehr - gehören unbestreitbar zum hoheitlichen Funktionsbereich des Staates. Das System des Straßenverkehrsrechts ist nach Maßgabe von Straßenverkehrsgesetz und Straßenverkehrsordnung unter hoheitlichen Regelungs- und Überwachungsvorbehalt gestellt worden. Nur der Staat als Hoheitsträger hat das Recht gemeindlichen Verkehrsraum zu organisieren, in seiner Funktion zu bestimmen und den einzelnen Verkehrsteilnehmern im Rahmen dieser Funktionsbestimmung zur Benutzung zuzuweisen. Dazu gehört u.a. auch die Regelung, ob Verkehrsraum für das Parken von Fahrzeugen zur Verfügung gestellt wird, wie diese Bereitstellung erfolgen soll, ob diese entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt und in der Folge auch, ob und wie diese Regelung rechtlich organisiert (zivilrechtlich oder hoheitlich) und kontrolliert wird (zivilrechtlich oder über Verwarn- und Bußgelder).

 

2. Die Ahndung und Durchsetzung von Regelverstößen durch Verwarn- und Bußgelder folgt aus dem Gewaltmonopol des Staates.

 

Wird die Organisation von Verkehrsraum und die Kontrolle der getroffenen Zuweisungen wie bei der Frankfurt/Main hoheitlich vorgenommen, folgt aus dem so ausgeübten Funktionsvorbehalt in Verbindung mit dem Gewaltmonopol des Staates die hier geltend gemachte Berechtigung, Verstöße gegen die Zuweisungsgehalte mit Verwarn- und Bußgeldern zu ahnden, da die Verstöße gegen die materiellen Verhaltensnormen des Straßenverkehrsrechts gem. § 21 ff. StVG dem Sanktionsvorbehalt des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts unterliegen. Der Gesetzgeber hat sich in Deutschland dazu entschlossen, auch diesen Bereich als Ordnungswidrigkeit dem Strafrecht zuzuordnen. Dass dies grundsätzlich auch anders möglich wäre, z. B. eine Angliederung an das Verwaltungsrecht, zeigen die Rechtsordnungen in anderen Europäischen Ländern.

 

Nach den gesetzlichen Vorgaben handelt es sich bei Verletzung von Verhaltensgeboten der vorliegenden Art, also des Verstoßes gegen Parkvorschriften gem. den §§ 6 Abs. 1, 24, 26 StVG, 13 StVO, um Ordnungswidrigkeiten i. S. d. §§ 35 ff. OWiG, die gem. §§ 27 StVG, 56, 58 Abs. 2 OWiG, die mit dem Sanktionssystem von Verwarnung und Verwarnungsgeld bedacht werden können. Das Recht, derartige Verstöße zu ahnden, ist als Ausfluss des Gewaltmonopols ausschließlich dem Staat und vorliegend konkret der Polizei zugewiesen.

 

Damit ist, auch wenn es sich nur um Parkverstöße handelt, sowohl die Regelung und Organisation von Verkehrsraum selbst (staatliches Organisationsmonopol), als auch die daran angeknüpfte Sanktionierbarkeit (staatliches Gewaltmonopol) Teil der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und damit grundsätzlicher Kern der originären Staatsaufgaben. Die gesamte Verkehrsüberwachung und - ahndung, unabhängig davon, ob es sich um fließenden oder ruhenden Verkehr handelt, ist damit Ausfluss des staatlichen Gewaltmonopols, das seine verfassungsrechtliche Grundlage wiederum im Rechtsstaatsprinzip findet.

 

In der Folge kann der Staat - und vorliegend konkret die Frankfurt/Main - die ihr von der Bevölkerung erteilte Regelungs- und Sanktionsmacht von der er (sie) seine (ihre) eigene Legitimation bezieht, nicht ohne gesetzliche Legitimation wieder an „private Dienstleister“ abgeben, damit diese dann als „Subunternehmer“ ohne Legitimation hoheitliche Aufgaben wahrnehmen. Mit dem Recht etwas zu „dürfen“, folgt nicht automatisch das Recht, mit diesem „Dürfen“ beliebig umzugehen. Der Bürger hat einen Anspruch darauf, dass der Staat die von ihm gewährte Macht im Rahmen der ihm gewährten Regelungskompetenz ausübt und nach Prinzipien eines Rechtsstaates gerichtlich überprüfbar rechtfertigt.

 

3. Notwendigkeit einer Ermächtigungsgrundlage.

 

Soweit es sich nicht um absolute hoheitliche Kernaufgaben handelt, die von einem derartigen Verfassungsrang sind, dass sie grundsätzlich nicht übertragbar sind wozu insbesondere Justiz, Polizei und Fiskalverwaltung gehören, bedarf es für eine grds. zulässige Übertragung auf „Dritte“ einer dafür vom Parlament erlassenen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage.

 

Da die Exikutivorgane ihre Macht von der Legislative übertragen bekommen haben, dürfen sie diese Macht nur dann an „Dritte weitergeben“, wenn sie im Rahmen eines gesetzgeberischen Verfahrens durch die parlamentarische Repräsentation der Bevölkerung dazu ermächtigt worden sind, wobei klar und eindeutig bestimmt sein muss was übertragen wird, warum es übertragen wird, wie es übertragen wird und wie es kontrolliert wird (vgl. z.B. § 27c Abs. 2 LuftVG).

 

Eine derartige Ermächtigungsgrundlage existiert nicht und dies ist dem Innenministerium auch bekannt.

 

Die Frage, ob die Überwachung des „ruhenden Verkehrs“ auf Dritte übertragen werden kann, war bereits unter TOP 15.6.Gegenstand der ständigen Konferenz der Innenminister und Senatoren der Länder am 03.05.1996. Bereits vor 21 Jahren wurde darüber diskutiert: „(...) dass im Interesse der personellen und wirtschaftlichen Entlastung der zuständigen Behörden die Möglichkeit einer Beleihung privater Unternehmen im Bereich der Verfolgung von Verstößen im ruhenden Verkehr eingeführt werden sollte“. Die Innenministerkonferenz hatte insoweit die Bundesregierung aufgefordert „auf eine entsprechende Änderung des § 26 StVG hinzuwirken“. Der Bund hat demgegenüber die Auffassung vertreten, dass dieser Beschluss „verfassungsrechtlich problematisch sei“, da er nicht nur die unbedenkliche Tatsachenfeststellung von Verkehrsverstößen, sondern auch die zum Kernbereich polizeilicher Tätigkeit rechnende Erteilung von Verwarnungen umfasst“. In der Folge ist es nicht zu einer Änderung des § 26 StVG gekommen. Dass das Hessische Innenministerium diese von ihm mitiniziierte gescheiterte Gesetzesinitiative nicht kennt (Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen wollten die aus einer Änderung des § 26 StVG ergebenen Möglichkeiten ohnehin nicht wahrnehmen; Brandenburg hatte sich enthalten), kann nicht angenommen werden, so dass die in der vorliegend eingeholten Stellungnahme vom 28.05.2019 vertretene Rechtsansicht befremdet.

 

Entgegen der Ansicht des Hessischen Innenministeriums kommt vorliegend auch § 99 HSOG nicht als Ermächtigungsnorm in Betracht. Dies ergibt sich bereits daraus, dass § 99 HSOG nicht die oben genannten Voraussetzungen für eine Ermächtigungsnorm erfüllt und als Landespolizeigesetz auch nicht erfüllen kann. Dass mit Hilfe des Polizeirechts der Länder eine verfassungsrechtlich verankerte und in Bundesgesetzen geregelte Kompetenz-, Regelungs- und Sanktionierungszuweisung nicht umgangen oder außer Kraft gesetzt werden kann, versteht sich von selbst. § 99 HSOG regelt insoweit lediglich die Frage einer möglichen landesspezifischen Umsetzung bei der Durchführung („Wie“), wenn dies in einer Ermächtigungsgrundlage vorgesehen wäre („Ob“), was bei der Verkehrsüberwachung indes nicht der Fall ist.

 

Insoweit stellt die vorliegend vorgenommene Kombination aus Arbeitnehmerüberlassung und anschließender Bestellung zum „Hilfspolizeibeamten“ nach § 99 HOG durch das Regierungspräsidium eine vorsätzliche Umgehung des geltenden Rechts dar.

 

Wie der Senat in seinen Grundsatzentscheidungen vom v. 26.04.2017 - 2 Ss-OWi 295/17 und v. 06.11.2019 - 2 Ss-OWi 942/19 dargelegt und umfassend begründet hat, ist das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz im vorliegenden Bereich der hoheitlichen Tätigkeiten schon nicht anwendbar.

 

Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz dient dazu, den Missbrauch von Arbeitnehmerüberlassung im privatwirtschaftlichen Bereich einzudämmen. Es ist darauf ausgerichtet, dass eine im Rahmen eines wirtschaftlichen Unternehmens kurzfristige auftretende Tätigkeitsspitze durch die kurzfristige Hinzuziehung fremder Arbeitskräfte ausgeglichen werden kann, wobei entscheidend ist, dass der entliehene Arbeitnehmer im verleihenden Unternehmen verbleibt.

 

In der Folge ist die von der Stadt Frankfurt/Main und dem Innenministerium vertretenen Rechtsansicht, dass eine über die Arbeitnehmerüberlassung entliehener Mitarbeiter „Bediensteter“ der Stadt Frankfurt/Main wird und dann durch einen hoheitlichen Bestellungsakt „Stadtpolizist“ werden kann, rechtlich aus mehreren Gründen nicht haltbar.

 

Das Regierungspräsidium Darmstadt hat für die vorliegend vorgenommene Bestellung einer Privatperson zu einem „Stadtpolizisten“ auch keine Zuständigkeit. Sie ergibt sich auch nicht aus § 99 Abs. 3 Nr. 4 HSOG.

 

Nach § 99 HSOG können zur Wahrnehmung bestimmter Aufgaben der Gefahrenabwehr oder zur hilfsweisen Wahrnehmung bestimmter polizeilicher Aufgaben Hilfspolizeibeamtinnen und Hilfspolizeibeamte bestellt werden. § 99 Abs. 3 HSOG regelt die Bestellungskompetenz der mit polizeilichen Aufgaben betrauten Behörden, gestaffelt nach den ihnen jeweils zugewiesenen Funktionen (vgl. zur Gesetzesänderung und Neufassung: Hornmann, HSOG, 2. Aufl., § 99 Rdn. 2 m.w.N.). § 99 Abs. 3 HSOG ist nach Sinn und Zweck der Vorschrift und gemäß der gesetzgeberischen Konstruktion vor dem Hintergrund seines eng auszulegenden Ausnahmecharakters zu Art. 33 Abs. 4 GG so aufgebaut, dass die jeweilige Behörde für die ihr übertragenen (polizeilichen) Tätigkeiten jeweils eigene Bedienstete und Bedienstete der jeweils nachgeordneten Behörden als „Hilfspolizeibeamte“ bestellen kann (vgl. zum Ganzen Hornmann, HSOG, 2. Aufl., § 99 Rdn. 2 ff; 7f und 34 ff).

 

Die Stadt Frankfurt/Main kann daher nach § 99 Abs. 3 für die eigene „Stadtpolizei“ „eigene Bedienstete“ bestellen. Das hat sie indes nicht getan.

 

Stattdessen verwendet sie ihre hoheitliche Sanktionsmacht Verwarngelder zu erheben dazu, das Geschäftsmodell eines privaten Dienstleisters zu finanzieren. Damit dies nicht auffällt, lässt sie die Verkehrsüberwachung den privaten Dienstleister im strafbewehrten Gewand einer Polizeiuniform durchführen (vgl. §§ 132, 132a StGB).

 

Damit täuscht die Stadt Frankfurt/Main strukturell und systemisch den Bürger und die Gerichte und zwar in vollem Bewusstsein, dass sie geltendes Recht umgeht.

 

Durch den gesetzeswidrigen Bestellungsakt eines zuvor rechtswidrig überlassenen Mitarbeiters eines privaten Dienstleisters zu einem „Hilfspolizeibeamten“ erhält dieser (die Wirksamkeit der Bestellung unterstellt) die Aufgaben und die Befugnisse der Vollzugspolizei. Dies wird durch das Tragen der Uniform auch dem Bürger gegenüber nach Außen dokumentiert.

 

Damit erhält diese Privatperson u.a. folgende Kompetenzen:

 

    • Personenüberprüfungen und Identitätsfeststellungen

 

    • vorläufige Festnahmen und Personalienfeststellung (Sistierung)

 

    • Platzverweise und Verbringungsgewahrsam

 

    • Sicherstellungen

 

    • Verkehrsregelnde Eingriffe in den Verkehr, Erteilen von polizeilichen Weisungen

 

    • Entgegennahme von Anzeigen im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht

 

    • Anwendung unmittelbaren Zwanges mit körperlicher Gewalt, Hilfsmitteln und Waffen

 

Im Übrigen sind die Angehörigen der „Stadtpolizei“ nach dem Legalitätsprinzip zur Strafverfolgung verpflichtet.

 

Der Bürger geht - und muss dies auch -, davon aus, dass die die Uniform der Stadtpolizei tragende Person, ein Polizist ist und die genannten Funktionen und Befugnisse hat. Dass ein „privater Dienstleister“ diese Befugnisse nicht haben darf, versteht sich von selbst.

 

Tatsächlich hat die Stadt Frankfurt/Main, wie das Innenministerium dem Senat mitgeteilt hat, einzelvertraglich diese Funktionen und Befugnisse wieder beschränkt. Die Stadt Frankfurt/Main hat danach bewusst eine „leere Hülle in Uniform“ geschaffen, die ausschließlich dazu dient, nach Außen den täuschenden Schein der Rechtstaatlichkeit aufzubauen und den Bürgern und den Gerichten gegenüber den Eindruck polizeilicher Handlungen zu vermitteln.

 

IV.

 

Die den vorliegenden Parkverstoß belegenden Beweismittel unterliegen einem absoluten Beweisverwertungsverbot.

 

Die für die Annahme eines Beweisverwertungsverbots notwendige Abwägung des staatlichen Verfolgungsinteresses mit den Rechten des Beschuldigten vor dem Hintergrund der Schwere des staatlich vorgenommenen Gesetzesverstoßes bei der Beweiserhebung führt vorliegend dazu, dass die hier erzeugten rechtswidrigen Beweismittel für den Parkverstoß einem absoluten Verwertungsverbot unterliegen.

 

Vorliegend ist der Zeuge B Mitarbeiter eines privaten Dienstleisters. Durch die rechtswidrige Arbeitnehmerüberlassung ist er nicht zu einem Bediensteten der Stadt Frankfurt/Main geworden. Das Regierungspräsidium Darmstadt ist zu einer Bestellung von städtischen Hilfspolizeibeamten bei der Stadt Frankfurt/Main nicht befugt. Der Nachweis des vorliegenden Parkverstoßes erfolgte damit nicht durch einen im staatlichen Auftrag handelnden, alleine im Interesse der Allgemeinheit und ohne eigene finanzielle Interessen agierenden Polizisten, sondern durch einen mit eigenen finanziellen Interesse versehenen „privaten Dienstleister“ in Uniform der Stadtpolizei.

 

Unter Berücksichtigung, dass die Frankfurt/Main nach eigenen Angaben jährlich über 700.000 (Jahr 2018) Parkverstöße mit einem Sanktionsvolumen von über 1 Mio Euro ahndet, offenbart dieser Fall, dass hier ein strukturelles System der wirtschaftlichen Verflechtungen entstanden ist, bei dem staatliche Verkehrsüberwachung und -sanktionierung zur Finanzierung privatwirtschaftlicher Geschäftsmodelle verwendet wird. Verschärfend kommt vorliegend noch hinzu, dass anders als in den bisher von den Gerichten aufgedeckten Missbräuchen im fließenden Verkehr (vgl. Beschlüsse v. 26.04.2017 - 2 Ss-Owi 295/17 und v. 06.11.2019 - 2 Ss-OWi 942/19) hier zur Täuschung auch noch Mitarbeiter „private Dienstleister“ strafbewehrt in Polizeiuniformen „Dienst“ tun“ (vgl. zur Strafbarkeit §§ 132, 132a StGB).

 

Die Stadt Frankfurt/Main hat damit nicht nur systemisch gegen geltendes Recht verstoßen, sondern darüber hinaus in Kenntnis dieses Verstoßes im Zusammenwirken mit einem privaten Dienstleister ein System der Verschleierung und Täuschung aufgebaut, das nicht nur den Bürger, sondern vorliegend auch die Gerichte über Jahre hin getäuscht hat.

 

Durch das Vorspiegeln polizeilicher Beweiserhebung und Beweisermittlung, hat das Amtsgericht hier auch fälschlich die für polizeiliche Zeugen prozessual möglichen Regelungen zur Anwendung gebracht.

 

Im vorliegenden Urteil des Amtsgerichts wird der „Zeuge“ als „Hilfspolizeibeamter mit allen erforderlichen Befugnissen für die Parküberwachung (...) einschließlich einer Uniform“ gewürdigt und darauf die Beweiswürdigung gestützt. Das Gericht hat damit in verkürzter Form die besondere „Glaubwürdigkeit“ des „polizeilichen Zeugen“ und die „Glaubhaftigkeit“ seiner Angaben, da er kein eigenes Interesse an der Verfolgung hat, dargelegt.

 

Diese Annahme beruht wie dargelegt auf einer Täuschung, so dass das angefochtene Urteil des Amtsgerichts daher keinen Bestand haben kann.

 

Da der hier vorgeworfenen Parkverstoß möglicherweise auch auf rechtsstaatliche Weise bewiesen werden könnte, dieser Aufwand aber außer Verhältnis zum behaupteten Verstoß steht, verweist der Senat das Verfahren nicht zur Neuverhandlung zurück, sondern stellt das Verfahren ein.

 

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Aktuelles Urteil: Stundenverrechnungssätze bei Auftrag „laut Gutachten“

 

Maßgeblich sind die Stundenverrechnungssätze der reparierenden Werkstatt und nicht die des Gutachtens!

 

Eine Reparaturwerkstatt darf bei einer Beauftragung „laut Gutachten“ grundsätzlich davon ausgehen, dass die eigenen Stundenverrechnungssätze Grundlage der Abrechnung werden. Auf die in dem Kaskogutachten enthaltenen Stundenverrechnungssätze, welche im konkreten Fall von der Kaskoversicherung vorgegeben wurden, kommt es nicht an.
(LG Offenburg v. 21.07.2009 AZ: 1 S 28/09).
Bei Unklarheiten über Art und Umfang der Beauftragung soll es auf die Sicht der Reparaturwerkstatt ankommen, wenn eine Beauftragung der Reparaturwerkstatt durch den Kunden auf Basis eines Gutachtens erfolgt.
Die Entscheidung gilt nur für die Fälle, in denen eine Beauftragung „laut Gutachten“ erfolgte und über die über Art und den Umfang des Auftrags, insbesondere über die anzusetzenden Stundenverrechnungssätze, vorab keine konkrete Vereinbarung getroffen wurde.

Die Kaskoversicherung des Geschädigten beauftragte in dem verhandelten Fall ein Gutachten, ein Kaskogutachten, zum Umfang des entstandenen Schadens. Der durch die Kaskoversicherung beauftragte Gutachter setzte den von der Kaskoversicherung vorgegebenen Stundenverrechnungssatz für Reparatur- und Lackierarbeiten an.

 

Der Geschädigte legte sodann das Gutachten der Reparaturwerkstatt vor und beauftragte die Reparatur „laut Gutachten“. Das Kaskogutachten ermittelte fiktive Nettoreparaturkosten in Höhe von 5.393,69 €. Unter Ansatz der konkreten Stundenverrechnungssätze der reparierenden Werkstatt ergaben sich letztendlich Nettoreparaturkosten in Höhe von 6.783,19 Euro.

Die Kaskoversicherung erstattete direkt an den vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten die vollständigen Nettoreparaturkosten, mithin die Reparaturkosten in Höhe von 6.783,19 Euro. Der Geschädigte erstattete allerdings sodann an die Reparaturwerkstatt nur den Nettoreparaturbetrag gemäß Kaskogutachten mit dem Hinweis, die Reparatur sei gemäß dem Kaskogutachten beauftragt worden, mithin der Reparaturrechnung auch die Stundenverrechnungssätze des Kaskogutachtens zugrunde zu legen.

 

Die konkreten Stundenverrechnungssätze der Reparaturwerkstatt seien hingegen unbeachtlich, da diese nicht beauftragt wurden. Das Amtsgericht Lahr teilte diese Rechtsansicht in erster Instanz und wies die Klage des Reparaturbetriebes auf Erstattung der Restdifferenz an Reparaturkosten ab. Hiergegen wandte sich die überwiegend erfolgreiche Berufung vor dem Landgericht Offenburg. Das Landgericht Offenburg bestätigte die Rechtsauffassung der Reparaturwerkstatt.

 

Begründung

Der Auftrag des Kunden, „Reparatur laut Gutachten“, war nicht eindeutig und somit auslegungsbedürftig.Da die Erklärung gegenüber der Werkstatt abgegeben wurde, muss eine Auslegung aus der Sicht des Reparaturbetriebs erfolgen.

 

Maßgeblich ist wie die Werkstatt die Erklärung nach Treu und Glauben und insbesondere unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte und musste.

 

Aufgabe des Gutachtens ist es in erster Linie den Reparaturumfang und den Reparaturweg aufzuzeigen. Es soll die vollständige Instandsetzung des verunfallten Fahrzeugs gewährleistet werden.Gerade nicht üblich ist, dass mit der Bezugnahme auf ein Gutachten, auch die Vergütungssätze als vereinbart gelten.
Im konkreten Fall kam hinzu, dass in dem Gutachten Stundenverrechnungssätze enthalten waren, welche von der Kaskoversicherung vorgeben wurden. Dies wiederspricht allerdings der ständigen BGH-Rechtssprechung, wonach im Gutachten die ortsüblichen Stundenverrechnungssätze des freien Marktes anzusetzen sind.
Alles in allem durfte mithin die Werkstatt den Auftrag nicht so verstehen, dass der Reparatur die Stundenverrechnungssätze des Kaskogutachtens zugrunde lagen.

 

Dieser zugegebenermaßen höchst ungewöhnliche Fall verdeutlicht für die Praxis, dass es dringend anzuraten ist, den Umfang der Beauftragung genau zu dokumentieren. Der kurze Vermerk, „laut Gutachten“, langt hierfür nicht aus. Es sollte klargestellt werden, dass im Hinblick auf den Reparaturumfang und den Reparaturweg das Kaskogutachten maßgeblich ist, allerdings selbstverständlich die Stundenverrechnungssätze des konkreten Reparaturbetriebs heranzuziehen sind.

 

Aus der Urteilsbegründung

 

Die Bestellung/der Auftrag ist auslegungsbedürftig. Die hier vorliegende empfangsbedürftige Willenserklärung ist so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste. Auf seinen Horizont und seine Verständnismöglichkeiten ist die Auslegung abzustellen, auch dann, wenn der Erklärende die Erklärung anders verstanden hat und auch verstehen durfte.

 

Das Gutachten hat in erster Linie die Aufgabe die Reparaturwürdigkeit des Fahrzeuges darzustellen und hierbei den Reparaturumfang und –weg aufzuzeigen. Mit Bezugnahme auf das Gutachten will die Beklagte zunächst nur anzeigen, dass Sie eine vollständige Reparatur in Auftrag gibt. Das mit der bloßen Bezugnahme auf das Gutachten – ohne eine ausdrückliche Erklärung – auch die dort genannten Vergütungssätze vereinbart werden, dürfte nicht üblich sein.

DIESEL-Urteil für Frankfurt

VG Wiesbaden, Urteil vom 05. September 2018  Az.4 K 1613/15.WI

 

Luftreinhalteplan für die Stadt Frankfurt am Main; Diesel-Fahrverbot

 

Verwaltnungsgericht Wiesbaden,

Urteil v. 05. September 2018 Az.4 K 1613/15

 

Leitsatz

1. Der Beklagte hat bei der bis zum 01.02.2019 vorzunehmenden Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt Frankfurt am Main in seinem Gesamtkonzept die Grenzwerteinhaltung zum 01.01.2020 anzustreben.

 

2. In den Luftreinhalteplan für die Stadt Frankfurt am Main sind zonenbezogene Fahrverbote für Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 3, sowie für alle Fahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 5 ab dem 01.02.2019, sowie für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren der Abgasnorm Euro 5 ab dem 01.09.2019 neben einem Konzept zur Parkraumbewirtschaftung und zur kurzfristigen Nachrüstung der im Innenstadtbereich verkehrenden Busflotte mit SCRT-Filtern aufzunehmen.

 

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, den für die Stadt Frankfurt am Main geltenden Luftreinhalteplan zum 1. Februar 2019 so fortzuschreiben, dass dieser unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Jahr gemittelten Grenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) in Höhe von 40 pg/m3 im Stadtgebiet Frankfurt am Main enthält.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

 

Der Kläger ist ein deutschlandweit tätiger und nach 5 3 Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG) anerkannter Umweltschutzverband, der besonders im Bereich Luftreinhaltung aktiv ist. Im vorliegenden Verfahren begehrt er die weitere Fortschreibung des Luftreinhalteplanes für die Stadt Frankfurt am Main.

 

Das Hessische Umweltministerium stellte erstmals im Jahr 2005 für den Ballungsraum Rhein-Main einen Luftreinhalteplan auf. Aktuell gilt die im Oktober 2011 erstellte 1. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für den Ballungsraum Rhein-Main, Teilplan Frankfurt am Main.

 

Nach den dort getroffenen Feststellungen wurde an zwei der damals vier Messstationen im Frankfurter Stadtgebiet (in Frankfurt-Friedberger Landstraße und Frankfurt Höchst, nicht in Frankfurt-Ost und Frankfurt-Sindlingen) der Grenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) von 40µg/m3 deutlich überschritten (56,2 bzw. 48 µg/m3). Diese Überschreitungen führte der Beklagte irn Wesentlichen (zu etwa 63 % im Mittel) auf den Kraftfahrzeugverkehr zurück, während etwa 23 % der Stickstoffdioxidbelastung der sogenannten Hintergrundbelastung zugeschrieben wurden.

 

Im Vergleich zur Feinstaubbelastung sei die Hintergrundbelastung bei Stickstoffdioxid relativ gering. Dieser Schadstoff wirke eng begrenzt um seine Quellen und werde nicht wie Feinstaub über weite Strecken hinweg transportiert. Zur Einhaltung des Immissionsgrenzwertes bedürfe es daher einer drastischen Reduzierung des Luftschadstoffs vor Ort. Der Verringerung der Abgasemissionen sei die größte Wirkung zuzuschreiben. Um beispielsweise an der Messstation Friedberger Landstraße den Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid einhalten zu können, rnüsse der Immissionsanteil des lokalen Verkehrs von im Jahr 2010 gut 21 µg/m3 NO2 auf 5 µg/m3 NO2 sinken. Das entspreche einer Reduzierung um drei Viertel, d. h. es dürften nur noch 25% der Fahrzeuge fahren, um den Immissionsgrenzwert einhalten zu können. Eine solche Maßnahme sei unverhältnismäßig.

 

Als geplante Maßnahmen" auf europäischer bzw. nationaler Ebene zur Verringerung der Schadstoffbelastung der Luft sind in der 1. Fortschreibung des Luftreinhalteplans aus 2011 aufgeführt:

- Einführung der Euro-6/VI-Abgasnorm für Neuzulassungen (7.1.1)

 Prognose: Minderung der N02-Emissionen bis 2015 gegenüber jenen aus 2010 von gut 8 %

 - Verschärfung von Immissionsgrenzwerten für Industrieanlagen durch Absenkung der Grenzwerte für ab 2013 neu in Betrieb gehende oder wesentlich geänderte Verbrennungsanlagen (7.2.1.1)

 Prognostizierte Minderung: nicht abschätzbar

 - Förderung von Neuzulassungen von Euro-6-Diesel-Pkw in der Zeit vom 01.01.2011 bis 31.12.2013 (7.2.2.1)

 Prognostizierte Minderung: nicht abschätzbar

 - Förderung von Neuzulassungen von Euro-VI-Lkw ab 01. Juli 2011 (7.2.2.2)

 Prognostizierte Minderung: nicht abschätzbar

 Es wurden daneben folgende lokale Maßnahmen geplant:

 - Einführung der 3. Stufe der Umweltzone zum 01.01.2012 (7.3.1.1)

 - Prognose: Minderung der N02-Emissionen bis 2015 gegenüber jenen aus 2010 um 3,5 %

 - Entlastung der Frankfurter Innenstadt durch Bündelung des Lkw-Verkehrs im Außenbereich ab 2011 (7.3.1.2)

 Prognose: nicht abschätzbar

 - Weitere Verbesserung des Emissionsstandards der städtischen Busflotte im Umsetzungszeitraum

 2010-2013 (7.3.1.3)

 Prognostizierte Minderung: Minderung der N02-Emissionen bis 2013 gegenüber jenen aus 2010 um 12 %

 - Steigerung der Attraktivität des öffentlichen Personennahverkehrs durch dessen Ausbau und durch Mobilitätsmanagement zwischen 2011 und 2020 (7.3.1.4)

                Prognostizierte Minderung: nicht abschätzbar

 - Sukzessive Verbesserung beim Individualverkehr durch Förderung des Rad- und Fußgängerverkehrs, Radverkehrsstrategie mit ,,Stadt der kurzen Wege" und Bewohnerparken (7.3.1.5)

 Prognostizierte Minderung: nicht abschätzbar

 - Ausbau der Fernwärmenutzung (7.3.2.1)

 Prognostizierte Minderung: Ca. 50 t/a NOx; die Umsetzung sei jedoch abhängig von der Akzeptanz des Einzelnen

 - Stromsparprogramm (7.3.2.2)

 Prognostizierte Minderung: keine Angabe

 - Energieberatung im Jahr 2011 (7.3.2.3)

 Prognostizierte Minderung: nicht abschätzbar

 

Der Beklagte ging dabei davon aus, dass neben den vorgesehenen lokalen Maßnahmen, insbesondere der 3. Stufe der Umweltzone, vor allem die Einführung der Euro-6/VI-Norm für Fahrzeuge die NO2-Belastungen zumindest längerfristig soweit vermindern werde, dass mit einer flächendeckenden Einhaltung des Grenzwertes bis ca. 2020 gerechnet werden könne. Bis zum Jahr 2015 sei nicht mit einer Einhaltung des NO2-Immissionsgrenzwertes an allen betroffenen Straßenzügen in Frankfurt zu rechnen, eine solche stehe frühestens 2020 zu erwarten.

 

Das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie ermittelt seit vielen Jahren an verschiedenen Standorten mittels Luftmessstationen und Passivsammlern u.a. den Stickstoffdioxidgehalt der Luft. Im Stadtgebiet Frankfurt befinden sich derzeit drei feste Luftmessstationen (Ffm-Friedberger Landstraße, Ffm-Höchst und Ffm-Ost). Bei der Messstation Ffm-Friedberger Landstraße handelt es sich um eine verkehrsbezogene, bei den Stationen Ffm-Höchst und Ffm-Ost um Messstationen des städtischen Hintergrundes. Daneben gab es bis Anfang 2013 eine temporäre Messstation in Frankfurt-Sindlingen sowie seit 2016 eine solche in Frankfurt-Schwanheim. Aus den lufthygienischen Jahresberichten des Landesamts ergeben sich für die Jahre 2010 bis 2017 für das Stadtgebiet Frankfurt die aus der nachfolgenden Tabelle ersichtlichen Jahresmittelwerte für NO2 in µg/m3

 

Aus diesen Werten ist ersichtlich, dass der Grenzwert für Stickstoffdioxid von 40 µg/m3 nach

wie vor an vielen Messstellen überschritten wird. Am 19.11.2015 hat der Kläger vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden Klage erhoben.

Der Kläger macht einen Anspruch auf Änderung bzw. Fortschreibung des für Frankfurt am Main geltenden Luftreinhalteplans im Wege einer allgemeinen Leistungsklage geltend.

 

Der Kläger rügt die sehr zögerliche, ihm gegenüber bereits für Anfang 2016 angekündigte Fortschreibung des Luftreinhalteplanes. Dies gehe zu Lasten der Gesundheit der betroffenen Bevölkerung und stelle eine völlig unangemessene Behandlung dar. Mit den vorgesehenen Maßnahmen könne nicht einmal für das Jahr 2020 eine Einhaltung der Grenzwerte garantiert werden, eine frühere Einhaltung werde offenbar gar nicht angestrebt, womit der Beklagte seine ihm obliegenden Rechtspflichten verkenne. Nach Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG sei durch die

 

Mitgliedsstaaten sicherzustellen, dass die Grenzwerte für Stickstoffdioxid ab 2010 überall eingehalten werden, was bereits durch die Richtlinie 1999/30/EG so vorgegeben worden sei.


Das Bundesverwaltungsgericht habe in einem Urteil vom 05.09.2013 (Az.: 7 C 21/12) zum Luftreinhalteplan Darmstadt darauf hingewiesen, dass ein bloßes schrittweises Vorgehen nach der neuen Richtlinie nicht mehr ausreichend sei. Ein solches Vorgehen müsse sich vielmehr auch unter Berücksichtigung des zeitlichen Moments rechtfertigen lassen, eine Grenzwertüberschreitung dürfe nur so kurz wie möglich sein.

 

 

 

Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19.11.2014 (Az.: C-404113 - Client Earth) dürften bei Stickstoffdioxid die Grenzwerte von den festgelegten Zeitpunkten an nicht mehr überschritten werden, was einer ,,Ergebnisverpflichtung" entspreche.

 

Die Landesregierung könne sich dabei auch nicht auf eine Art Verhältnismäßigkeitsgrundsatz berufen, etwa im Hinblick auf die zu erwartenden Kosten der anzuwendenden Maßnahmen. So habe der EuGH in seinem Urteil vom 19.12.2012 (Az.: C-68/11 - EU-Kommission ./. Italien) ausgeführt, dass selbst drastische wirtschaftliche Maßnahmen, die zur Grenzwerteinhaltung erforderlich wären, den Mitgliedsstaaten abverlangt werden können, wenn diese erforderlich seien, um den Grenzwerten Rechnung zu tragen. Eine Ausnahme sei nur im Falle höherer Gewalt gegeben, nicht aber bei einem erheblichen Finanzierungsbedarf der Maßnahmen.

 

Nach Untersuchungen der WH0 verkürze die Luftverschmutzung durch Luftschadstoffe die durchschnittliche Lebenserwartung aller Menschen in der EU um 8,6 Monate, in Deutschland um 10,2 Monate. Nach Angabe der Europäischen Umweltagentur aus dem Jahr 2014 erhöhe die N02-Exposition die gesamt-, kardiovaskuläre und respiratorische Mortalität und sei Ursache für Atemwegserkrankungen. Inzwischen empfehle die WH0 eine weitere Absenkung des Grenzwertes für NO2, was im Entwurf der RL 2008/50/EG auch vorgesehen gewesen sei. Mit der dann darin vorgenommenen Verschärfung auf eine Eignung der Maßnahmen zur ,,schnellstmöglichen Erreichung des Grenzwertes habe die EU den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen Rechnung tragen wollen, um deutlich zu machen, dass es wegen der menschlichen Gesundheit und der Umwelt ,von besonderer Bedeutung ist", die ,,effizientesten' Emissionsminderungsmaßnahmen zu ergreifen, wie sich aus den Erwägungsgründen 2 und 3 der Richtlinie ergebe. Bei der geschuldeten Planung könne sich der Beklagte nicht auf anderweitige Zuständigkeiten etwa der EU oder des Bundes berufen.

 

Es sei auch seit Jahren bekannt, dass auch unabhängig von den Manipulationen der Autoindustrie die Schadstoffnormen Euro 5 und Euro 6 nicht zu signifikanten Verbesserungen der Luftqualität geführt hätten. Ein Wille, den seit Jahren bestehenden rechtswidrigen Zustand zu beenden, sei nicht zu erkennen.

 

Das auch von der Rechtsprechung als zulässig angesehene Fahrverbot für Dieselfahrzeuge in der Innenstadt stelle die einzige Maßnahme dar, mit der halbwegs sicher und schnellstmöglich der Grenzwert für Stickstoffdioxid eingehalten werden könne. Der Kläger verweist in diesem Zusammenhang auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.02.2018 (Az.: 7 C 30.17 - Stuttgart).


Auf die klägerischen Schriftsätze vom 19.01., 02.03., 15.04., 17.06., 19.10.2016, 09.03., 31.07.2017, 18.05. und 29.8.2018 wird verwiesen.

 

Der Kläger beantragt zuletzt,

den Beklagten zu verurteilen, den Luftreinhalteplan für die Stadt Frankfurt am Main so fortzuschreiben, dass dieser unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zur Zu- Iässigkeit und Verhältnismäßigkeit von Verkehrsverboten zum 1. Februar 2019 die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Grenzwertes für NO2 in Höhe von 40 µg/m3 Luft im Stadtgebiet Frankfurt am Main enthält.

 

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

 

Er rügt mit Schreiben vom 19.02.2016 die örtliche Zuständigkeit des Gerichts und regt unter Hinweis auf § 52 Nr. 1 VwGO (Zuständigkeit aufgrund ortsgebundenen Rechts) die Verweisung an das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main an.

 

Eine Aufnahme der vom Kläger begehrten Maßnahmen in die nächste Fortschreibung eines Luftreinhalteplans sei nicht möglich. Objektiv möglich seien nur solche Maßnahmen, die auch rechtlich zulässig seien. § 47 des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) biete insoweit selbst keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage, es bedürfe solcher außerhalb des BImSchG.

 

Außerdem seien die Grenzen der kommunalen Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG) zu beachten. Insbesondere für eine vom Kläger geforderte City-Maut fehle es an der gesetzlichen Grundlage. Überdies sei deren Einführung eine kommunale Aufgabe und nicht durch einen Luftreinhalteplan zu bewerkstelligen, ein Maßnahmevollzug nach § 47 Abs. 6 BImSchG nicht möglich. Auch wäre eine Änderung des Landesrechts für die Zahlungspflicht erforderlich.


Hinsichtlich ebenfalls geforderter Fahrverbote biete § 40 BImSchG keine hinreichende Grundlage. Zwar sei § 40 Abs. 1 BImSchG unabhängig von einer Sperrwirkung der 35. BImSchV in Bezug auf die Einrichtung von Umweltzonen für Dieselfahrzeuge eine taugliche Ermächtigungsgrundlage für streckenbezogene Fahrverbote für Diesel-PKW, jedoch sei die Geeignetheit solcher Fahrverbote in Zweifel zu ziehen. Da die Diesel-PKW hierdurch nicht gehindert wären, in den anderen städtischen Bereich einzufahren, trete ein Verlagerungseffekt ein. Ferner seien Fahrverbote auch sonst nicht verhältnismäßig. Die Einhaltung des Grenzwertes sei frühestmöglich und schnellstmöglich für das Jahr 2020 vorausgesagt. Das Verwaltungsgericht München führe in seinem Urteil vom 21.06.2016 (Az.: M 1 K 15.5714, S. 13) aus, dass eine schnellstmögliche Grenzwerteinhaltung vor dem Hintergrund der Diesel-Problematik wohl nicht mehr vor 2020 erreicht werden könne.

 

Auf die weiteren Ausführungen in den Klageerwiderungsschreiben vom 19.02., 31.05., 09.08.und 06.12.2016 sowie auf die Stellungnahme zu verschiedenen Maßnahmen der Luftreinhaltung vom 20.04.2017 wird Bezug genommen.

 

Mit Beschluss vom 20.11.2015 hat das Gericht die Stadt Frankfurt am Main (Beigeladene zu 1)) gemäß § 65 Abs. 1 VwGO in dem Verwaltungsstreitverfahren beigeladen, weil das Klagebegehren auch die Interessen der Stadt berührt.

 

Die Beigeladene zu 1) hat keinen Antrag gestellt.

 

Sie hat mit Schreiben vom 28.04. und 15.09.2017 zu verschiedenen Maßnahmen der Luftreinhaltung Stellung genommen und ihre Bemühungen zur Schadstoffreduzierung dargelegt, worauf verwiesen wird.

 

Mit Beschluss vom 14.06.2017 hat das Gericht die Bundesrepublik Deutschland (Beigeladene zu 2)) gemäß § 65 Abs. 1 VwGO in dem Verwaltungsstreitverfahren beigeladen, weil das Klagebegehren in Anbetracht des gegen diese gerichteten Vertragsverletzungsverfahrens der Europäischen Union auch deren Interessen berührt.

 

Die Beigeladene zu 2) hat keinen Antrag gestellt.


Mit Schreiben vom 06.06.2017 hat das Gericht das Umweltbundesamt (UBA) um fachliche Stellungnahme zu 36 - teilweise bereits von den Beteiligten vorgebrachten - denkbaren Maßnahmen zur Verringerung des Stickstoffdioxidgehalts in der Luft hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und (zeitlichen) Umsetzbarkeit aufgefordert. Am 23.04.2018 ist diese fachliche Stellungnahme des UBA bei Gericht eingegangen, ergänzt um eine weitere Maßnahme 37 (differenziertes System blauer Plaketten). Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Monaten gegeben worden.

 

 

 

Mit Schreiben vom 27.08.2018 hat der Beklagte ein „vorläufiges Gesamtkonzept für den Luftreinhalteplan Ballungsraum Rhein-Main, 2. Fortschreibung Teilplan Frankfurt am Main" (ohne Datum) vorgelegt. Ausweislich der dortigen Vorbemerkung handelt es sich dabei um die Vorstellung der zur Umsetzung vorgesehenen Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität in Frankfurt am Main. Es bilde zugleich den zentralen Inhalt des in Fortschreibung befindlichen Luftreinhalteplans ab. Auf die in einem Luftreinhalteplan erforderlichen Erläuterungen werde dabei verzichtet und lediglich Maßnahmen mit Bezug zum Straßenverkehrssektor dargestellt, weil Maßnahmen zur Reduzierung der Immissionen etwa aus den Bereichen Hausbrand oder Industrie für die relevanten Immissionspunkte nur von geringer Minderungswirkung seien.

 

Unter Nr. 2 dieses vorläufigen Gesamtkonzepts werden die aktuellen Messwerte für das Jahr 2017 in Frankfurt arn Main für Stickstoffdioxid (N02) wiedergegeben und u.a. der Prognosenullfall 2020, d.h. die Situation im Jahr 2020 bei weiterem Geschehensablauf ohne Ergreifen zusätzlicher Minderungsmaßnahmen, berechnet. Ausgehend von einer anhand der tatsächlichen Messwerte überprüften Modellrechnung für das Jahr 2017, nach der in 116 Straßenzügen in Frankfurt der Grenzwert für NO2 nicht eingehalten ist, prognostiziert der Beklagte, dass auch 2020 noch in 59 Straßenzügen der Grenzwert überschritten sein wird. Der höchste Wert werde hierbei bei ca. 53 µg/m3 liegen. Als geplante und untersuchte Maßnahmen werden unter Nr. 4 aufgeführt: Umweltorientiertes Verkehrsmanagement (4.1.1), Erneuerung der Busflotte inkl. Teilelektrifizierung der Flotte (4.1.2), Förderung des öffentlichen Personennah- und des Radverkehrs (4.1.3), Ausbau Elektromobilität (4.1.4), Vergünstigung Jobticket (4.1.5), Softwareupdate bei Diesel-Pkw der Abgasstufen Euro-5 und Euro-6 (4.1.6) und unter 4.1.7 sodann eine Übersicht über die Wirksamkeit der geplanten ,#Maßnahmenpaketen aufgeführt. Hierzu wird ausgeführt, dass im Verkehrsmanagement sowohl im Mittel als auch maximal das meiste Potential zur Minderung des NO2-Immissionswertes stecke.

 

Ausgehend vom jeweiligen Prognosenullfall könne mit den in dem vorläufigen Konzept beabsichtigten Maßnahmen die Zahl der von N02-Grenzwertüberschreitungen betroffenen Straßenzüge im Frankfurter Stadtgebiet im Jahr 2019 von 71 auf 62 gesenkt werden. Im Jahr 2020 reduziere sich die Zahl der betroffenen Straßenzüge von 59 auf 42 und im Jahr 2021 von 41 auf 20 Straßenzüge.

 

Darüber hinaus weist das nun vorgelegte vorläufige Gesamtkonzept unter 4.2 folgende weitere - nicht geplante - Maßnahmen aus:

Hardwarenachrüstung von Diesel-Pkw (4.2.1), Fortschreibung der Kennzeichnungsverordnung - Blaue Plakette (4.2.2), Lkw-Durchfahrtsverbot (4.2.3), immissionsfreie Linienbusflotte (4.2.4) sowie immissionsfreie Taxiflotte (4.25).

 

Dabei setzt der Beklagte besondere Hoffnung auf das Mittel der Hardwarenachrüstung von Diesel-Pkw. Unter Berufung auf eine ADAC-Studie wird die emissionsseitige Minderungswirkung eines einzelnen Fahrzeugs mit 70 % angesetzt. Nach dieser Studie könnten ,,fast alle" Diesel-Pkw nachträglich mit einem SCR-System nachgerüstet werden. Der Beklagte nimmt dabei an, dass insgesamt eine Hardwarenachrüstung bei 95 O/O der Euro-4 und Euro-5 Diesel-Pkw sowie bei 80 % der Euro--6 Diesel-Pkw schrittweise in den Jahren 2019 bis 2021 umgesetzt werde. Er geht davon aus, dass die genannte Umrüstung hinsichtlich der Diesel-Pkw Euro-4 und Euro-5 im Jahr 2019 zu 30 % und im Jahr 2020 zu 95 % fortgeschritten sein werde. Im Jahr 2021 werde die Umrüstung zu 100 % abgeschlossen sein. Die genannte Umrüstung von 80% der Diesel-Pkw Euro-6 werde im Jahr 2020 zur Hälfte und 2021 gänzlich abgeschlossen sein. Auf der Grundlage dieser Annahmen rechnet der Beklagte mit einer durchschnittlichen Schadstoffminderung NO2 von 4 µg/m3 oder 9 % gegenüber dem Prognosenullfall 2020 und damit, dass nur noch in 21 Straßenzügen der Grenzwert für NO2 überschritten werde.

 

Der Beklagte geht davon aus, dass bei Umsetzung aller von ihm geplanten Maßnahmen sowie bei konsequenter Umrüstung der Diesel-Pkw Euro-4, Euro-5 und Euro-6 im oben genannten Umfang im Jahr 2020 nur noch in 12 Straßenzügen der Grenzwert überschritten werde und im Jahr 2021 der Grenzwert im gesamten Stadtgebiet eingehalten werde. Auf die weiteren Ausführungen dieses vorläufigen Gesamtkonzepts wird Bezug genommen.

 

Die Kammer hat in der mündlichen Verhandlung am 05.09.2018 zunächst mit den Beteiligten erörtert, welche Maßnahmen insbesondere von der Beigeladenen zu 1) seit der ersten Fortschreibung des Luftreinhalteplans im Oktober 2011 durchgeführt wurden bzw. nunmehr durchgeführt werden. Darüber hinaus hat die Kammer mit den Beteiligten die in dem „vorläufigen Gesamtkonzept" konkret zur Übernahme in die Fortschreibung vorgesehenen Maßnahmen wie auch die darin erwähnten weiteren Maßnahmen und dabei insbesondere deren Wirksamkeit und Umsetzbarkeit erörtert. Schließlich hatten alle Beteiligten auch Gelegenheit, zu den Maßnahmen Stellung zu nehmen, die in dem 36- bzw. 37-Punkte-Katalog enthalten sind und die das Umweltbundesamt auf ihre Wirksamkeit und Umsetzbarkeit in dessen fachlicher Stellungnahme bewertet hat.

Auf das umfangreiche Protokoll der mündlichen Verhandlung wird verwiesen.

 

Dem Gericht lagen die mehrbändige Gerichtsakte nebst Ordner der Anlagen zur Klageschrift, die 1. Fortschreibung des Luftreinhalteplanes für den Ballungsraum Rhein-Main, Teilplan Frankfurt am Main aus Oktober 2011, das „vorläufige Gesamtkonzept für den Luftreinhalteplan Ballungsraum Rhein-Main, 2. Fortschreibung Teilplan Frankfurt a. M." sowie die Behördenakte (1 Ordner) des Hessischen Umweltministeriums vor, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und gerichtlichen Entscheidung gewesen sind.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet, denn die Voraussetzungen für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt Frankfurt am Main nach § 47 Abs. 1 S. 1 BIrnSchG sind erfüllt.

Der in die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit §40 Abs. 1 VwGO) fallende Rechtsstreit liegt gemäß § 52 Nr. 5 VwGO auch in der örtlichen Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Wiesbaden. Das Verwaltungsgericht Wiesbaden ist auch instanziell das zuständige Gericht.

 

Es kann hier dahingestellt bleiben, ob durch die Änderungen des Umwelt- Rechtsbehelfsgesetzes (UmwRG) und des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) aus 2017 nunmehr für Klagen auf Erlass von Luftreinhalteplänen bzw. deren Fortschreibung nach § 7 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 Buchst. a UmwRG i.V.m. § 2 Abs. 7 UVPG i.V.m. Nr. 2.2 der Anlage 5 zum UVPG eine erstinstanzliche Zuständigkeit des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes begründet ist, da das vorliegende Klageverfahren vor der genannten Gesetzesänderung rechtshängig wurde. Nach § 173 VwGO i.V.rn. § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO wird die Zuständigkeit des Prozessgerichts durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt (perpetuatio fori).

 

Die Klage ist als Leistungsklage statthaft und auch ansonsten zulässig.

Der Kläger ist auch als nach § 3 UrnwRG anerkannte Umweltschutzvereinigung klagebefugt im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO. Nicht nur unmittelbar betroffenen natürlichen Personen, etwa den Bewohnern der Stadt Frankfurt, steht das Recht zu, einen Anspruch auf Fortschreibung eines Luftreinhalteplans irn Hinblick auf die Anforderung des § 47 Abs. 1 BImSchG i.V.m. § 27 der 39. BImSchVO geltend zu machen, sondern durch das UmwRG sind auch nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigungen hierzu befugt.

 

Die Klage ist auch begründet.

 

Der Kläger macht zu Recht einen Anspruch aus § 47 Abs. 1 S. 1 BImSchG gegenüber dem Beklagten geltend, den Luftreinhalteplan für den Ballungsraum Rhein-Main, Teilplan Frankfurt am Main, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut fortzuschreiben, weil die bisher vorgesehenen Maßnahmen zur Minderung der Schadstoffbelastung der Luft durch Stickstoffdioxid (N02) nicht geeignet sind, die schnellstmögliche Einhaltung des vorgegebenen Grenzwertes herbeizuführen.

Nach § 47 Abs. 1 S. 1 BImSchG hat die zuständige Behörde dann, wenn durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1 BImSchG festgelegte Immissionsgrenzwerte überschritten werden, einen Luftreinhalteplan aufzustellen, der die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt und den Anforderungen der Rechtsverordnung entspricht.

Die Voraussetzungen für den auf dieser Grundlage geltend gemachten Anspruch auf Änderung des Luftreinhalteplans sind hier gegeben.

 

Der Grenzwert für N02, um dessen Einhaltung es dem Kläger vorliegend alleine geht, wird im Stadtgebiet Frankfurt überschritten. Dieser ergibt sich aus §47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG i.V.m. § 3 Abs. 2 der auf Grundlage des §48a Abs. 1 BImSchG erlassenen 39. BImSchV. Danach ist seit dem 01.01.2010 ein über ein Kalenderjahr gemittelter Immissionsschutzgrenzwert für NO2 von 40 µg/m3 einzuhalten. Der Gesetzgeber hat mit den vorgenannten gesetzlichen Regelungen die sich aus der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 21.05.2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa ergebenden Pflichten in nationales Recht umgesetzt.

 

Der Grenzwert von 40 µg/m3 für NO2 wurde auch noch im Jahr 2017 an vielen Messstellen im Frankfurter Stadtgebiet (vgl. Tabelle im Tatbestand) und nach der Modellrechnung des Beklagten in insgesamt 116 Straßenzügen erheblich, zum Teil um mehr als 10 überschritten.

Liegt - wie hier - eine Grenzwertüberschreitung vor, ergibt sich aus § 47 Abs. 1 S. 1 BImSchG die Verpflichtung der zuständigen Behörden, einen zur Einhaltung des Grenzwerts führenden Luftreinhalteplan entweder erstmals aufzustellen oder einen vorhandenen Plan so fortzuschreiben, dass er die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt und damit den Anforderungen der 39. BImSchV entspricht. Gemäß § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG müssen in den Luftreinhalteplan Maßnahmen aufgenommen werden, die geeignet sind, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.

 

Zu den inhaltlichen Anforderungen an einen Luftreinhalteplan bzw. dessen Fortschreibung hat die Kammer in ihrer bisherigen Rechtsprechung (vgl. Urt. V. 30.06.2015, Az.: 4 K 97/15.WI - Luftreinhalteplan Limburg) ferner bereits ausgeführt, dass es gemäß § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG Aufgabe der zuständigen Umweltbehörde ist, in einem Luftreinhalteplan unabhängig von den jeweiligen Zuständigkeiten für die jeweilige Umsetzung Maßnahmen aufzulisten, die überhaupt geeignet sind, die Schadstoffbelastung zu reduzieren und dann prognostisch die Wirksamkeit dieser grundsätzlich geeigneten Maßnahmen zu quantifizieren (Reduzierungswerte), so dass in einem weiteren Schritt geprüft und ausgewählt werden kann, welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um zu einer Einhaltung der ohne Weiteres verbindlichen Grenzwerte zu gelangen. Der zu erstellende Luftreinhalteplan muss dabei gemäß den Vorgaben der § 47 Abs. 1 BImSchG und 27 Abs. 2 der 39. BImSchV Maßnahmen enthalten, die den Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte so kurz wie möglich halten (vgl. hierzu auch BVerwG, Urt. V. 05.09.2013 - 7 C 21/22, NVwZ 2014, 64 Rdnr. 59, 60, wonach die Überschreitung der Immissionsgrenzwerte möglichst schnell zu beenden ist und das schrittweise Anstreben der Einhaltung der Immissionsgrenzwerte nicht ausreicht). Der Beklagte wird erst dann seinen Aufgaben gerecht geworden sein, wenn hinter seiner Planung ein Gesamtkonzept steht, das die Einhaltung der Grenzwerte zum Ziel hat. Es reicht nicht aus, sich in der Planung nur mit einzelnen Maßnahmen zu beschäftigen und dabei offen zu lassen, wann das Gesamtziel aufgrund solcher Maßnahmen erreicht sein wird (vgl. bereits VG Sigmaringen, Urt. V. 22.10.2014 - 1 K 154112 -). Ein Luftreinhalteplan ist erst dann effektiv, wenn er allen für die Reinhaltung der Luft (mit)verantwortlichen Stellen geeignete Handlungsoptionen aufzeigt, deren Wirksamkeit bewertet und so Grundlage dafür ist, sich für die eine(n) oder andere(n) Maßnahme(n) zu entscheiden, mit der absehbaren Folge, dass die Grenzwerte schnellstmöglich eingehalten werden. Aufgabe eines solchen Konzepts muss es dabei sein, Wege und Möglichkeiten aufzuzeigen, die betroffenen Bürger vor weiteren Gesundheitsbeschädigungen durch das die Lungenfunktion stark gefährdende Reizgas Stickstoffdioxid, das wegen seiner kaum vorhandenen Wasserlöslichkeit tief in die Atemwege eindringen kann, zu schützen. Ob dabei wirtschaftliche Aspekte überhaupt eine Rolle spielen dürfen, ist zweifelhaft. Nach dem Urteil des EuGH vom 19.12.2012 (Az.: C-68/11 - EU-Kommission ./. Italien - Rn. 59-64) ist nämlich davon auszugehen, dass finanzielle oder wirtschaftliche Aspekte nicht dazu führen können, von Maßnahmen zur Einhaltung der Immissionsgrenzwerte abzusehen.

Der EuGH macht nur für den Fall der höheren Gewalt von diesem Grundsatz eine Ausnahme (Rn. 64).

Diesen Anforderungen genügt die derzeit geltende 1. Fortschreibung des Luftreinhalteplans, Teilplan Frankfurt am Main, vom Oktober 2011 nicht.

 

Die darin vorgenommene Planung bzw. die darin vorgesehenen Maßnahmen sind nicht geeignet, eine kurzfristige Einhaltung des Grenzwerts sicherzustellen. Vielmehr ist festzustellen, dass auch fast sieben Jahre nach dieser Planung trotz leicht abnehmender Tendenz keine wesentliche Verbesserung der Schadstoffsituation in der Luft des Frankfurter Stadtgebiets eingetreten ist.

 

Auch das „vorläufige Gesamtkonzept für den Luftreinhalteplan Ballungsraum Rhein-Main, 2. Fortschreibung Teilplan Frankfurt am Main (ohne Datum)", welches der Beklagte am 27.08.2018 in diesem Klageverfahren vorlegte, stellt kein geeignetes Konzept zur schnellstmöglichen Einhaltung der Grenzwerte dar.

 

Wie aus der unter dortiger Nr. 4.1.7 enthaltenen Übersicht über die Wirksamkeit der in diesem vorläufigen Gesamtkonzept geplanten Maßnahmen ersichtlich ist, ist selbst nach der Prognose des Beklagten davon auszugehen, dass im Jahre 2021 (gemittelt) auch bei deren vollständiger Umsetzung noch immer 20 Straßenzüge eine NO2-Belastung von über 40 µg/m3 aufweisen werden, im Jahre 2020 sogar noch 42 Straßenzüge. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die KIägerseite teilweise sogar von einem noch geringeren Wirkungspotential der von dem Beklagten geplanten Maßnahmen ausgeht, sodass hiernach die Prognose noch schlechter ausfällt. Nach Würdigung der Beiträge der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung, insbesondere der jeweiligen Einschätzung der Wirkungsgrade kurzfristig umsetzbarer Maßnahmen, ist die Minderungswirkung aller von dem Beklagten geplanten Maßnahmen prognostisch auf insgesamt unter 3 µg/m3 zu veranschlagen.

 

Daher ist festzustellen, dass ohne ein Vorgehen gegen die Hauptquelle für die Schadstoffbelastung, den mit konventionellen Verbrennungsmotoren angetriebenen Individualverkehr, insbesondere den dieselbetriebenen, die derzeit vielfach sogar über 50 µg/m3 liegenden Messergebnisse im Frankfurter Stadtgebiet zeitnah nicht wesentlich herabgesetzt werden können.

Auch die weiteren unter Nr. 4.2 aufgeführten Maßnahmen können keine kurzfristige und signifikante Reduzierung der N02-Belastung sicherstellen.

Hier führt der Beklagte unter Nr. 4.2.1 insbesondere die Hardwarenachrüstung von Diesel-Pkw an und stellt hierzu zunächst fest, dass ein sehr hoher Anteil von Diesel-Pkw nachträglich mit einem SCR-System nachgerüstet werden könne. Allerdings sei derzeit nicht sicher vorauszusagen, in welchem Umfang Hardwarenachrüstungen tatsächlich auch umgesetzt werden.

Unter der der Prognose des Beklagten zugrundeliegenden Annahme, dass Hardwarenachrüstungen tatsächlich im großen Umfang vorgenommen würden, ergäbe sich hieraus eine Minderungswirkung in Bezug auf NO2-Immissionswerte zum Prognosenullfall 2020 von 4 µg/m3 oder 9 %. Die Kammer hat in der mündlichen Verhandlung bereits ausgeführt, dass sie nicht nachzuvollziehen vermag, woher die Motivation eines so hohen Anteils der Fahrzeughalter von Euro-4 und Euro-5 Diesel-Pkw (jeweils 95 %) bzw. Euro-6 Diesel-Pkw (80 %) kommen sollte, eine solche Hardwarenachrüstung ohne Verpflichtung hierzu und zudem auch noch auf eigene Kosten, welche zwischen 1.400,-- und 5.000,- € je Fahrzeug liegen sollen, vornehmen zu lassen. Eine kurzfristige Umsetzbarkeit der Nachrüstungen erscheint nicht zuletzt bereits deshalb unwahrscheinlich, weil seitens der Beigeladenen zu 2) nicht einmal entsprechende Richtlinien hierfür entwickelt wurden. Nach dem Verlauf der mündlichen Verhandlung ist für Pkw offenbar der Erlass einer solchen Richtlinie derzeit nicht einmal geplant.

 

Was die als weitere Maßnahme aufgeführte Einführung einer blauen Plakette (Nr. 4.2.2) angeht, hat der Vertreter der Beigeladenen zu 2) klargestellt, dass derzeit eine Änderung der 35. BImSchV (,,Plakettenverordnung') nicht beabsichtigt sei, so dass mit der Einführung einer blauen Plakette, die ein „geregeltes Fahrverbot" ermöglichte, auf absehbare Zeit nicht zu rechnen ist. Die im ,,vorläufigen Gesamtkonzept" insoweit prognostizierte Minderungswirkung auf den N02-Immissionswert zum Prognosenullfall 2020 von 3,7 µg/m3 bzw. 8,3 % kann somit nicht bzw. nicht kurzfristig zum Tragen kommen.

 

Hinzu kommt, dass nicht alle prognostizierten Minderungswerte verschiedener Maßnahmen kumulativ angesetzt werden können, sondern sich teilweise überschneiden. So überschneiden sich beispielsweise die Minderungseffekte von Software- und Hardwarenachrüstungen.

Hinsichtlich der unter 4.2.3 bis 4.2.6 aufgeführten weiteren Maßnahmen waren sich die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung einig, dass diese nicht schnell zu einer signifikanten Schadstoffminderungswirkung führen werden.

 

 

 

Danach ist festzustellen, dass derzeit kein Gesamtkonzept vorliegt, mit dem kurzfristig der Grenzwert für Stickstoffdioxid von 40 pg/m3 im Frankfurter Stadtgebiet eingehalten werden kann. Der Luftreinhalteplan muss daher so geändert werden, dass er die erforderlichen Maßnahmen enthält, die die schnellstmögliche Einhaltung des Grenzwerts für NO2 erwarten lassen.

 

 

 

Aufgrund der gesetzlichen Vorgabe, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten, wird der Beklagte bei der Aufstellung des Gesamtkonzepts nach Auffassung der Kammer eine Zielerreichung, d.h. eine Einhaltung des Grenzwertes im gesamten Stadtgebiet der Beigeladenen zu I), zum 01.01.2020 anzustreben haben.

 

 

 

Dies bedeutet, dass der Beklagte in besonderem Maße Maßnahmen in Betracht ziehen muss, die bis zu diesem Zeitpunkt wirksam werden können und sich nicht auf solche Maßnahmen beschränken darf, die erst später Wirksamkeit entfalten. Eine spätere Zielsetzung würde dem Gebot der schnellstmöglichen Einhaltung des Grenzwertes nicht gerecht. Dies gilt insbesondere in Anbetracht des Umstandes, dass der Grenzwert als solcher seit fast 20 Jahren bekannt und seit dem 01.01.2010 verbindlich einzuhalten ist, die Werte aber nach wie vor ganz erheblich überschritten werden. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der die Kammer folgt, verstößt eine Luftreinhalteplanung gegen die Verpflichtung, den Zeitraum einer Überschreitung des Grenzwerts "so kurz wie möglich" zu halten, die die derzeit am besten geeigneten Luftreinhaltemaßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Grenzwerte nicht ergreift, sondern das Wirksamwerden dieser Maßnahmen vor dem 01.01.2020 ausschließt und sie zudem von Bedingungen abhängig macht, deren Eintritt ungewiss ist und die vom Plangeber nicht selbst herbeigeführt werden können. (vgl. BVerwG, Urt. V. 27.02.2018 - 7 C 30.17 - Stuttgart, Rn. 35). Die Kammer hat auch deshalb in der mündlichen Verhandlung bei den Erörterungen kurzfristig umsetzbarer und wirksamer Maßnahmen den 01.01.2020 zugrunde gelegt, so dass die Beteiligten sich hierzu entsprechend äußern konnten.

 

 

 

Die Kammer sieht es nach diesbezüglicher Erörterung in der mündlichen Verhandlung als realistisch an, dass eine solche zweite Fortschreibung des Luftreinhalteplans am 01.02.2019 veröffentlicht und damit abgeschlossen werden kann. Im Sinne einer schnellstmöglichen Einhaltung des Grenzwertes sieht das Gericht es als erforderlich an, das Planungsermessen des Beklagten auf diesen Veröffentlichungszeitraum zu beschränken.

 

 

 

Das Planungsermessen des Beklagten ist vorliegend ferner auch hinsichtlich einzelner, nach Rechtsauffassung des Gerichts zwingend in die anstehende Fortschreibung des Luftreinhalteplans aufzunehmender Maßnahmen einzuschränken. Zwar steht dem Beklagten grundsätzlich ein weiter planerischer Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Auswahl und Ausgestaltung einzelner Maßnahmen zu, weil normativ mit den Grenzwerten nur die einzuhaltenden Ziele vorgegeben sind. Dieser planerische Gestaltungsspielraum wird jedoch gleichzeitig durch die normativen Zielvorgaben begrenzt, sodass das im Luftreinhalteplan zum Ausdruck kommende Konzept hieran zu messen ist. Bleibt das Konzept hinter den Anforderungen zurück, obliegt es den angerufenen nationalen Gerichten, gegenüber den nationalen Behörden jede erforderliche Maßnahme zu erlassen, damit diese Behörden den erforderlichen Plan gemäß den europarechtlich vorgeschriebenen Bedingungen erstellen (vgl. BVerwG, Urt. V. 27.02.2018 - 7 C 30117 - Stuttgart, Rn. 36).

 

 

 

Das Gericht geht zunächst davon aus, dass der Beklagte die in seinem „vorläufigen Gesamtkonzept" vorgesehenen und zur Aufnahme in die zweite Fortschreibung anstehenden Maßnahmen darin ebenso aufnimmt, wie zahlreiche mittel- und langfristige Maßnahmen zur Bekämpfung der Schadstoffbelastung. Die später erst wirksam werdenden Minderungsmaßnahmen können dazu führen, dass nunmehr vom Gericht als zwingend vorzuschreibende Maßnahmen gegebenenfalls später wieder entbehrlich werden.

 

 

 

Das planerische Ermessen des Beklagten ist zum einen insoweit einzuschränken, als die Kammer es für erforderlich hält, dass der Beklagte eine kurzfristige Nachrüstung der im Innenstadtbereich verkehrenden Busflotte im öffentlichen Nahverkehr mit SCRT-Filtern in die Fortschreibung des Luftreinhalteplans aufnimmt. Der Beklagte wird dabei angesichts des Umstands, dass die Beigeladene zu 1) keine eigenen Busse in einer städtischen Verkehrsgesellschaft hält, sondern insoweit entsprechende Aufträge vergibt, effektive Möglichkeiten zu prüfen haben, eine vollständige Nachrüstung der Busflotte des öffentlichen Nahverkehrs zeitnah zu realisieren, um so eine erhebliche Minderungswirkung herbeizuführen. In diesem Zusammenhang dürften auch mögliche Kündigungsrechte der Beigeladenen zu 1) hinsichtlich bestehender Aufträge zu prüfen sein. Nach den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung geht die Kammer davon aus, dass allein hierdurch ein zusätzlicher Minderungseffekt von 1,7 µg/m3 erreicht werden kann. Der im vorgelegten vorläufigen Gesamtkonzept vorgesehene sukzessive Austausch der Busflotte, der auch für das Jahr 2021 noch einen Anteil von 22 % nicht nachgerüsteter Busse der EEV-Norm an der Busflotte vorsieht, wird der gesetzlichen Verpflichtung zur schnellstmöglichen Einhaltung der Grenzwerte noch nicht hinreichend gerecht. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass für die Nachrüstung von Bussen - anders als für Pkw - die Zulassung der Hardwarenachrüstung bereits geregelt ist und entsprechende Hardware-Kits in hinreichender Zahl verfügbar sein dürften.

 

 

 

Als weitere kurzfristig umsetzbare und mit deutlichem Minderungspotential versehene Maßnahme sieht das Gericht die Aufnahme eines Parkraumbewirtschaftungskonzepts in den Luftreinhalteplan als erforderlich an. Hierbei gilt es, den Parkraum auf dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Flächen gegebenenfalls neu zu regeln und zu bewirtschaften. Die Reduzierung bzw. Abschaffung kostenlosen Parkraums dürfte zu einer erheblichen Abnahme des innerstädtischen motorisierten Individualverkehrs, insbesondere des Parksuchverkehrs, und somit zu einer signifikanten Minderung der NO2-Belastung führen, selbst wenn die Minderungswirkung durch die Beteiligten nicht konkret beziffert wurde. Dabei sollte die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften zum ruhenden Verkehr gewährleistet sein. In diesem Zusammenhang erscheint auch ein Hinwirken auf die Einführung höherer Bußgelder, die insbesondere über den erhobenen Parkgebühren liegen sollten, ratsam. Kostenloser Parkraum sollte grundsätzlich Anwohnern und Schwerbehinderten vorbehalten und vorgehalten bleiben. Die Kammer weist auf die als Vorbild dienende Regelung hin, die von der Beigeladenen zu 1) für ihren Stadtteil Bornheim jüngst angestrebt wird, wonach der dortige öffentliche Parkraum mit Hilfe von Parkscheinautomaten bewirtschaftet wird, während die dortigen Anwohner unter Vorlage eines entsprechenden Anwohnerparkausweises unter der Windschutzscheibe von Parkgebühren und einer Befristung der Parkdauer befreit sind. Darüber hinaus dürfte zu prüfen sein, inwieweit bestehende Park&Ride- Angebote attraktiver gestaltet bzw. noch ausgebaut werden können.

 

 

 

Da auch unter Berücksichtigung der Minderungswirkungen der genannten zwei Zusatzmaßnahmen eine Einhaltung des Grenzwertes kurzfristig nicht möglich sein wird, sieht das Gericht es für den Beklagten als unverzichtbar an, die vom Bundesverwaltungsgericht als Ultima Ratio benannten Fahrverbote in den Luftreinhalteplan für die Stadt Frankfurt am Main aufzunehmen.

 

 

 

Die zusätzliche Einführung eines Fahrverbots für Fahrzeuge mit hohem Stickstoffdioxidausstoß ist nicht nur geeignet, die Belastung der Luft im Frankfurter Stadtgebiet kurzfristig und signifikant zu reduzieren, sondern sie stellt zur Überzeugung des Gerichts auch die effektivste und am besten geeignete Maßnahme dar, ohne dass andere gleichwertige Maßnahmen zur Verfügung stehen (so auch VG Stuttgart, Urt. V. 26.07.2017 - 13 K 5412115 -, Rn. 293 f.). Nach § 47 Abs. 4 S. 1 BImSchG sind Maßnahmen des Luftreinhalteplans entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten, die zum Überschreiten der Immissionswerte oder in einem Untersuchungsgebiet im Sinne des § 44 Absatz 2 BImSchG zu sonstigen schädlichen Umwelteinwirkungen beitragen. Zu den Emittenten von NO2 zählen vor allem Dieselfahrzeuge, weshalb sie als Adressaten von Maßnahmen zur Verringerung der N02-Belastung vorrangig in den Blick zu nehmen sind (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. V. 27.02.2017 - 22 C 16. 1427 -, Rn. 138, juris). Dies wird von keinem der Beteiligten in Zweifel gezogen.

 

 

 

Ein solches Fahrverbot ist auch rechtlich zulässig. Nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts lassen die derzeit geltenden Regelungen des Bundes-Immissionsschutzrechts für sich genommen derartige Verkehrsverbote nicht zu, ihre Zulässigkeit ergibt sich aber unter Berücksichtigung des Unionsrechts. Sie können auf die Ermächtigungsgrundlage in § 40 Abc. 1 S. 1 BImSchG gestützt werden (vgl. BVerwG, Urt. V. 27.02.2018 - 7 C 30.17 - Stuttgart, Rn. 19 ff.). Danach beschränkt oder verbietet die zuständige Straßenverkehrsbehörde den Kraftfahrzeugverkehr nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, soweit ein Luftreinhalteplan oder ein Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 47 Abs. 1 oder 2 BImSchG dies vorsehen. Der Verordnungsgeber hat von der gesetzlichen Ermächtigung des § 40 Abs. 3 S. 1 BImSchG, Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise auszunehmen, durch den Erlass der 35. BImSchV mit abschließender Wirkung Gebrauch gemacht. Diese sieht eine Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen mit einer roten, gelben oder grünen Plakette vor. Mit diesem bundeseinheitlichen Plakettensystem wird ein differenzierter Eingriff in den Fahrzeugverkehr zugelassen und die Überwachung von Fahrverboten sehr vereinfacht. Der abschließende Charakter der 35. BImSchV schließt an die Antriebsart der Fahrzeuge anknüpfende Verkehrsverbote gleichwohl nicht aus. Angesichts der unionsrechtlichen Verpflichtung, den Zeitraum für die Nichteinhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid so kurz wie möglich zu halten, muss dieser Verpflichtung entgegenstehendes Bundesrecht unangewendet bleiben oder unionsrechtskonform ausgelegt werden (vgl. BVerwG, Urt. V. 27.02.2018 - 7 C 30.17 - Stuttgart, Rn. 31, 37). Die Umsetzung unionsrechtlich gebotener Verkehrsverbote scheitert zudem nicht an straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften (vgl. hierzu im Einzelnen BVerwG, Urt. V. 27.02.2018 - 7 C 30.17 - Stuttgart, Rn. 51 ff.). Sie sind als vom jeweiligen Eigentümer eines Kraftfahrzeugs entschädigungslos hinzunehmende Inhaltsbestimmung des Eigentums i.S.d. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG verfassungskonform, soweit sie verhältnismäßig ausgestaltet werden (BVerwG, Urt. V. 27.02.2018 - 7 C 30.17 - Stuttgart, Rn. 48 f.).

 

 

 

Sowohl bei der Verhängung eines Fahrverbotes wie auch insbesondere bei der Einräumung von Ausnahmen hierzu ist dem allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen (vgl hierzu ausführlich BVerwG, Urt. V. 27.02.2018 - 7 C 30.17 - Stuttgart, Rn. 39ff.).

 

 

 

Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung hinsichtlich der Verhängung eines Fahrverbotes sind dabei insbesondere folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen: die Gefährdung der Gesundheit der Innenstadtbewohner, die Beeinträchtigung der Mobilität der hiervon betroffenen Fahrzeugbesitzer, die Versorgung der Bevölkerung, die Belange der gewerblichen Wirtschaft sowie der Umstand einer bislang unzureichenden Aufklärung über gesundheitliche und investive Risiken durch die Gesundheits- und Verkehrsbehörden bei gleichzeitiger staatlicher Förderung des Erwerbs von Dieselfahrzeugen in den vergangenen Jahren.

 

 

 

Der einzelne durchschnittliche Käufer eines Diesel-Pkws verweist zu Recht darauf, gutgläubig ein vom Staat subventioniertes Fahrzeug mit entsprechender Fahrzeugtechnik gekauft zu haben. Die Kammer sieht auch, dass es möglicherweise insbesondere Haltern älterer Diesel-Fahrzeuge nicht ohne weiteres möglich sein wird, sich aufgrund ihrer Einkommenssituation kurzfristig ein anderes, schadstoffarmes Fahrzeug zuzulegen. Besondere Beachtung verdienen hierbei auch gewerbliche Betriebe, für die die Nutzung ihres Fuhrparks von existentieller Bedeutung ist und die diesen nicht kurzfristig austauschen können. Die Kammer verkennt hierbei auch nicht den Umstand, dass vielen Dieselbesitzern Fahrzeuge verkauft wurden, die den gesetzlichen Anforderungen an deren Abgasreinigung nicht entsprechen. Betrogene Käufer sind hier jedoch darauf zu verweisen, sich an die sie betrügenden Verantwortlichen zu halten und gegen diese gegebenenfalls zivilrechtlich vorzugehen.

 

 

 

Diesen Aspekten ist aber andererseits die Gefährdung der Gesundheit, insbesondere der Bewohner des Frankfurter Stadtgebiets gegenüberzustellen. Es lässt sich beispielsweise auf einkommensschwache Mieter einer Erdgeschosswohnung hinweisen, die ebenfalls aus finanziellen Gründen nicht in der Lage sind, in eine Wohnung im ,,Grüngürtelu um Frankfurt umzuziehen.

 

 

 

Diese wie auch die übrigen Bewohner Frankfurts sind im Zweifel der stark belasteten Atemluft durchgehend, sieben Tage die Woche, ausgesetzt. Darüber hinaus geht es auch um den Schutz der Gesundheit der in Frankfurt arbeitenden Menschen, der Besucher der Stadt sowie aller Verkehrsteilnehmer, die sich in den zahlreichen hoch belasteten Straßenkörpern aufhalten.

 

 

 

In diesem Zusammenhang merkt die Kammer an, dass es den Gesundheitsbehörden insbesondere des Bundes oblegen hätte, seit geraumer Zeit über die Gesundheitsrisiken, die mit dem Einatmen von Stickoxiden verbunden sind, aufzuklären. Gerade der Umstand, dass insoweit Schädigungen der Gesundheit noch nicht abschließend erforscht sind, es aber erhebliche Anhaltspunkte für das Vorliegen derartiger Gefahren für die Gesundheit und körperliche Integrität der Innenstadtbewohner gibt, hätte Anlass sein müssen, die Bevölkerung insoweit stärker aufzuklären und zu sensibilisieren.

 

 

 

Die Verkehrsbehörden hätten an diese Aufklärungsarbeit in der Weise anknüpfen können, dass sie die der Einführung des Grenzwerts für Stickstoffdioxid zugrundeliegenden Motive des Gesetzgebers in Beziehung zum möglichen Kauf eines Pkws hätten setzen müssen. Die Verkehrsbehörden insbesondere des Bundes waren bereits im Jahr 2010 veranlasst, in Anbetracht des erheblichen und aus der damaligen Sicht auch noch Jahre währenden Überschreitens des Grenzwerts für NO2 potentielle Käufer von Neufahrzeugen darauf hinzuweisen, dass beim Kauf von dieselbetriebenen Fahrzeugen in Anbetracht von deren erheblichem Anteil an der Verursachung dieser Emissionen ein Fahrverbot und damit eine Nutzungseinschränkung denkbar, zumindest aber nicht ausgeschlossen erscheint. Die potentiellen Käufer von Pkws hätten dann die Möglichkeit gehabt, sich dieses Risikos bewusst zu sein und diese der wirtschaftlichen Attraktivität von Dieselfahrzeugen gegenüberzustellen. Dies gilt umso mehr, als die Beigeladene zu 2) aufgrund ihrer steuerlichen Privilegierung von Dieselfahrzeugen nach wie vor den Kauf von Dieselfahrzeugen provoziert, so dass ein potentieller Käufer eines Neuwagens davon ausgehen musste, dass der Kauf eines Dieselfahrzeuges von seiner Bundesregierung gewünscht wird.

 

 

 

Vor dem Hintergrund der erheblichen Gesundheitsgefahren durch Stickstoffdioxid ist die (gegebenenfalls nur vorübergehende) Einführung von Fahrverboten zur Sicherstellung gesetzlicher Grenzwerte und zum Schutz der Gesundheit aller, die sich in Frankfurt aufhalten, nicht nur grundsätzlich verhältnismäßig, sondern auch geboten und alternativlos.

 

 

 

Bei der verhältnismäßigen Ausgestaltung der Fahrverbote wird der Beklagte nach Auffassung der Kammer ein zonenbezogenes Fahrverbot für Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro-3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro-5 ab dem 01.02.2019 sowie für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren der Abgasnorm Euro-5 ab dem 01.09.2019 in den Luftreinhalteplan für die Stadt Frankfurt aufzunehmen haben.

 

 

 

Ein streckenbezogenes Fahrverbot, das lediglich dazu führt, dass die betroffenen Autofahrer einzelne Fahrtziele nicht oder nur unter Inkaufnahme von mehr oder weniger großen Umwegen erreichen und ihre Fahrzeuge nicht auf vom Verbot erfassten Straßen(abschnitten) abstellen können, hat gegenüber einem zonenbezogenen Fahrverbot, das große Teile des Stadtgebiets erfasst, eine deutlich geringere Schadstoffminderungswirkung. Streckenbezogene Fahrverbote führten im Stadtgebiet der Beigeladenen zu 1) nur zu Verkehrsverlagerungen, nicht aber zu einer signifikanten Abnahme des Verkehrs. Angesichts der Tatsache, dass in Frankfurt nach den Modellrechnungen des Beklagten im Jahr 2017 immer noch in 116 Straßenzügen der Grenzwert überschritten wurde, erscheinen lediglich streckenbezogene Fahrverbote nicht zielführend. Es ist daher ein zonenbezogenes Fahrverbot als mit Abstand wirksamste Maßnahme zur Schadstoffminderung in den fortzuschreibenden Luftreinhalteplan aufzunehmen. Insoweit erscheint es denkbar, sich bei der Festlegung dieser Fahrverbotszone an den Grenzen der bestehenden Umweltzone in Frankfurt zu orientieren.

 

 

 

Hinsichtlich der von dem Fahrverbot betroffenen Fahrzeuggruppen und der zeitlichen Staffelung schließt sich die Kammer den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 27.02.2018 (Az.: 7 C 30.17 - Stuttgart, Rn. 42 f.) an, wonach es hinsichtlich der Dieselfahrzeuge, die nur die Anforderung der Abgasnorm Euro-4 erfüllen sowie hinsichtlich der benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro-3 keiner Übergangsfristen für die Einführung zonaler Fahrverbote bedarf. Für die noch neueren Euro-5-Fahrzeuge (Geltung der Abgasnorm Euro-5 für alle Fahrzeuge seit 01.01.2011) kommen - so das Bundesverwaltungsgericht - zonale Verbote jedenfalls nicht vor dem 01.09.2019 in Betracht. Dieser Zeitpunkt liegt vier Jahre nach dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro-6 für alle Fahrzeuge zum 01.09.2015. Damit ist gewährleistet, dass dem Eigentümer eines Euro-5-Fahrzeugs eine uneingeschränkte Mindestnutzungsdauer verbleibt, die über die ersten drei Jahre, die erfahrungsgemäß mit einem besonders hohen Wertverlust verbunden sind, hinausgeht. Bei der Bemessung der Frist hat das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt, dass für diejenigen Käufer, die unmittelbar vor dem Inkrafttreten der Abgasnorm Euro-6 ein neues Dieselfahrzeug erworben haben, das nur der Abgasnorm Euro-5 entsprach, ohne Weiteres erkennbar war, dass dieses Fahrzeug in Kürze nicht mehr dem Stand der neuesten Abgasvorschriften entsprechen werde. Diesem Käufer ist daher kein weitergehender Vertrauensschutz zuzubilligen.

 

 

 

Vor dem Hintergrund der Verpflichtung, den Zeitraum der Grenzwertüberschreitungen so kurz wie möglich zu halten, sind Fahrverbote für Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Abgasnorm Euro-3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorrn Euro-5 daher nach derzeitigen Erkenntnissen ab dem 01.02.2019 sowie für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren der Abgasnorm Euro-5 ab dem 01.09.2019 einzuführen.

 

 

 

Bei der Festlegung der Geltungsdauer dieser Verkehrsverbote wird der Beklagte anhand aktueller Erhebungen die zwischenzeitliche Entwicklung der Grenzwertüberschreitungen zu berücksichtigen haben. Sollten Grenzwertüberschreitungen deutlich stärker als bisher prognostiziert abnehmen, wäre hierauf gegebenenfalls mit einem Verzicht auf die (oder einer späteren) Einführung eines Verkehrsverbotes für Dieselfahrzeuge, die der Abgasnorm Euro-5 gerecht werden, zu reagieren (so auch BVerwG, Urt. V. 27.02.2018, Az.: 7 C 30.17, Stuttgart, Rn. 44). Anhaltspunkte hierfür sieht das Gericht derzeit nicht.

 

 

 

Darüber hinaus ist zu prüfen, für welche Gruppen, wie beispielsweise Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen, und für welche Einzelpersonen zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Ausnahmen von einem Verkehrsverbot einzuräumen sind. Auch Ausnahmeregelungen in Gestalt der Einräumung von Übergangsfristen für die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen insbesondere der Abgasnorm Euro-5 mit geeigneter Abgasreinigungstechnik können ein Baustein zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots darstellen, sofern entsprechende Rahmenbedingungen durch die Beigeladene zu 2) geschaffen werden sollten.

 

 

 

Bei der Erteilung von Ausnahmegenehmigungen wird der Beklagte grundsätzlich diese so auszugestalten haben, dass der Schadstoffminderungseffekt des Fahrverbots nicht ausgehebelt wird, sondern vielmehr wirksame Anreize zur baldigen Um- bzw. Nachrüstung der betroffenen Fahrzeuge gesetzt werden. Dies erscheint beispielsweise durch grundsätzlich gebührenpflichtige und in der Regel auf nicht länger als sechs Monate befristete Ausnahmegenehmigungen möglich.

 

 

 

Nach diesen Maßgaben wird der Beklagte den Lufteinhalteplan bis zum 01.02.2019 fortzuschreiben haben.

 

 

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abc. 1, Abs. 3 und § 162 Abc. 3 VwGO. Da die Beigeladenen keinen Antrag gestellt haben, nehmen sie auch nicht an dem Kostenrisiko teil. Sie haben ihre eigenen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen, eine Kostenerstattung durch andere Verfahrensbeteiligte findet nicht statt.

 

 

 

Das Urteil ist entsprechend § 167 Abs. 2 VwGO nur hinsichtlich der Kosten und gegen Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Betrages vorläufig vollstreckbar (§ 167 Abs. 1 S. 1 VwGO i.V.m. §§ 709 S. 2, 711 ZPO).

 

 

 

Beschluss

 

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000,- € festgesetzt.

 

 

 

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